21. Dezember 2022

Partnerschaftlichkeit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Liebe LeserIn,

hast du dir schon das gestrige Video zum Partnerschaftsbonus angeschaut?

Der Partnerschaftsbonus alleine ist kein finanzieller Anreiz, damit ihr beide Teilzeit arbeitet (denn das fehlende Gehalt ist in der Regel deutlich höher als dein Partnerschaftsbonus). Er lohnt sich aber, wenn ihr sowieso beide Teilzeit arbeiten möchtet. Und er gibt euch durch die Teilzeit etwas, was nicht in Geld aufzuwiegen ist: Weniger Arbeitszeit und mehr Familienzeit für denjenigen, der sonst weiter Vollzeit arbeitetn würde.

Und der Partnerschaftsbonus ermöglicht einen weiteren Aspekt, den viele Eltern sich vor der Geburt ihres Kindes kaum vorstellen können, dass das mal ein Thema sein wird: Er regt zum Nachdenken an, wie ihr eure Rollen und Aufgaben untereinander aufteilt und wie ihr (wieder) etwas mehr Gleichberechtigung in eure Partnerschaft bekommt.

Das klingt jetzt vielleicht etwas abstrakt und weit entfernt, wenn du zum ersten Mal schwanger bist. Tatsächlich ist das jedoch ein Phänomen, das sehr vielen Paaren passiert, die vor der Geburt absolut gleichberechtigt und auf Augenhöhe waren: Wenn du als Mutter im ersten Jahr nach der Geburt zu Hause bleibst und dein Partner ganz normal weiterarbeitet, dann verschiebt sich – sehr häufig – etwas in eurer Beziehung. Du wirst zur Spezialistin für das Kind und den Haushalt.

Quasi über Nacht wirst du für den Haushalt, die Essensbeschaffung und -zubereitung, die Wäsche und alles drumherum verantwortlich, weil du ja „den ganzen Tag“ zu Hause bist. Und du wirst zwangsläufig zur Spezialistin für euer Kind. Denn du weißt ja, wann es Hunger hat, wann es müde wird, was sein Weinen bedeutet und welche Kleidung zu welchem Wetter passt. Wahrscheinlich hast du auch mehr Bücher und Blogs rund ums Kind gelesen als dein Partner. Keine Sorge, das ist „normal“ und passiert häufig automatisch. Und es kann wieder geändert werden.

Wenn diese neue Rollenaufteilung für dich in Ordnung ist, dann umso besser.

Vielleicht fühlt sich dieses Ungleichgewicht für dich aber gar nicht gut an? Weil du in dieser Babyblase feststeckst und gar nicht mehr genau weißt, was draußen „in der großen weiten Welt“ passiert? Oder weil du dich vorher über deinen beruflichen Erfolg identifiziert hast und jetzt als Mutter auf der Suche nach deiner neuen Identifikation bist? Oder weil du nun „plötzlich“ von deinem Partner finanziell abhängig bist, was nie geplant war und deinen Grundsätzen widerspricht? Weil du als Mutter zur Putzfee mutierst, die du vorher nicht warst und auch nie sein wolltest?

Wenn sich diese Entwicklung für dich nicht gut anfühlt, dann ist es nicht zu spät, dagegen zu steuern. Wenn deine Elternzeit um ist, euer Kind in die Betreuung geht und du in die Arbeitswelt zurückkehrst, spätestens dann ist die Chance groß, dass ihr die Karten neu mischt und die Aufgaben neu verteilt. Zum Beispiel indem du ganz früh arbeiten gehst und dein Partner das Kind morgens fertig macht und zur Betreuung bringt. Für diesen Fall kann es hilfreich sein, dass der Vater seine Elternzeit nimmt, wenn du in die Arbeitswelt zurückkehrst. Gemeinsame Elternzeit ist natürlich schön für gemeinsame Erlebnisse. Wenn dein Partner aber ohne dich in Elternzeit ist, muss er lernen, sich selbstständig um das Kind zu kümmern und wird ebenfalls zum „Spezialisten“. Oder ihr arbeitet beide Teilzeit, seid gleichermaßen für das Kind zuständig und arbeitet gleich viele Wochenstunden.

Eine Grundsatzfrage ist diese: Ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nur deine persönliche Herausforderung oder seht ihr das als gemeinsame Herausforderung? Hier gibt es kein richtig und kein falsch.

Es ist okay, wenn du dich hauptsächlich um die Kinder kümmerst und dein Partner das Geldverdienen übernimmt.

Und es ist auch okay, wenn ihr euch die Carearbeit und das Geldverdienen (partnerschaftlich) teilt.

Ich finde, dass jede Familie und jedes Paar das für sich ganz individuell entscheiden soll, ungeachtet des gesellschaftlichen Drucks, der Vorstellungen der Großeltern oder der Wünsche der Arbeitgeber. Euer Leben, eure Entscheidungen. Wichtig ist einzig und allein, dass eure Entscheidungen sich für euch gut und richtig anfühlen.

Ich könnte an dieser Stelle ewig weiterschreiben, möchte dich aber zu diesem Zeitpunkt nicht überfordern. Für den Fall, dass dich das Thema interessiert oder es zu einem späteren Zeitpunkt für dich relevant wird, biete ich dir folgende Impulse zum Weiterdenken an:

  • ein früherer Instagrambeitrag von mir zum Thema „Spezialisierungsfalle“ aufgrund eines Spielgel-Artikels
  • ein Youtube-Video von mir zum Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf beginnt bei Elternzeit und Teilzeit“
  • ein Youtube-Video von mir zum Thema „Gerechtigkeit bei den Finanzen in der Elternzeit und später“
  • ein Youtube-Video von mir zum Thema „Das Zwei-Konten- und Drei-Konten-Modell – für eine gerechtere finanzielle Aufteilung für Elternpaare“

[Hinweis: Die Youtube-Videos habe ich vor 2 Jahren als Adventskalender veröffentlicht und dabei zum Teil Inhalte aus meinem Elternzeit-Handbuch vorgelesen.]

Wie denkst du über dieses Thema – ist es ganz weit weg und betrifft nur andere? Oder sind das Gedanken, die dich auch beschäftigen? Schreib mir gerne dazu, ich freue mich über jede Antwort!

Liebe Grüße
Verena

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